Europäischer Gerichtshof Luxemburg, Urteil vom 02.06.2022, Az. C-617/20

Die Art. 13 und 28 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses sind dahin auszulegen, dass eine von einem Erben vor einem Gericht des Mitgliedstaats seines gewöhnlichen Aufenthalts abgegebene Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft als hinsichtlich ihrer Form wirksam gilt, wenn die vor diesem Gericht geltenden Formerfordernisse eingehalten worden sind, ohne dass es für diese Wirksamkeit erforderlich wäre, dass sie die Formerfordernisse erfüllt, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht beachtet werden müssen.

Entscheidung

Ein niederländischer Staatsangehöriger, der seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, verstarb in Deutschland. Die Ehefrau erbte neben den Neffen des Erblassers. Die Neffen hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden und schlugen dort vor dem zuständigen Gericht auf niederländisch das Erbe aus. Das Amtsgericht Bremen hielt die Erbausschlagung für unwirksam, da keine Originalurkunden vorgelegt wurden und diese nicht auf die deutsche Sprache übersetzt waren und befand die Neffen mangels formgerechter Erbausschlagung nach Ablauf der Ausschlagungsfrist, § 1944 Abs. 3 BGB, als Erben.

Der EuGH stellte auf Vorlage des OLG Bremen fest, dass es ausreicht, wenn die Erbausschlagung nach den Formvorschriften des Gerichts eines Mietgliedstaates erfolgt, bei dem der Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es ist somit nicht zwingend nach den Formvorschriften des Mitgliedstaates vorzugehen, welches mit der Rechtsnachfolge von Todes wegen befasst ist.

Felix Backert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht